Kapitel 7

Abby brauchte weniger als eine Viertelstunde, um die Kleidungsstücke anzuziehen, die Dante ihr mitgebracht hatte, und ihre Haare zu einem einfachen Zopf zu flechten. Aber das war wirklich nicht weiter überraschend. Es gab nichts Besseres als eine zweimal gestorbene, auf dem Boden liegende Leiche, um bei einer Frau für Eiltempo zu sorgen.

Es war nicht nur ekelhaft, sondern auch der Gestank würde in kurzer Zeit durchdringend sein. Und sie war nicht gerade wild darauf, das mitzuerleben.

Sorgsam darauf bedacht, nicht in den Spiegel zu blicken und das Spiegelbild zu sehen, das nicht länger ihr gehörte, putzte sie sich rasch die Zähne und kehrte in den anderen Raum zurück, wo Dante sie erwartete.

Mit Wehmut durchsetzte Belustigung überkam sie, als sie ihn neben der Tür stehen sah. Während man es ihr ansah, dass sie die letzten beiden Tage damit verbracht hatte, durch Gassen zu stapfen, von Dämonen gejagt und von Zombies angegriffen zu werden, war Dante das perfekte Abbild eines Versace-Models.

Das rabenschwarze Haar war aus seinem schmalen Alabastergesicht gestrichen und fiel ihm über den Rücken. Das schwarze Seidenhemd, das über seinem fein gemeißelten Oberkörper schimmerte, zeigte keine Falte, und eine schwarze Lederhose umschmeichelte seine Beine, was einfach atemberaubend aussah.

Selbst die herrlichen Gesichtszüge waren makellos. Es waren keine Schatten und kein Anflug von Müdigkeit zu erkennen. Nicht einmal ein Stoppelbart.

Während Abby auf Dante zuging, kam sie zu dem Schluss, dass das verdammt ungerecht war. Er hätte wenigstens zerzauste Haare oder schlafverkrustete Augen haben können.

Ohne ihre albernen Gedanken zu bemerken, lächelte Dante sie aufmunternd an. »Bist du bereit?«

»Ich fürchte, bereiter geht es nicht«, gab sie mit einem schiefen Lächeln zu.

Das Piratengrinsen nahm an Breite zu. »Ich nehme an, das reicht für den Augenblick. Gehen wir.«

Gemeinsam verließen sie das Zimmer und gingen durch den Gang in Richtung der üppig ausgestatteten Eingangshalle. Aber anstatt auf die Tür zuzugehen, führte Dante Abby zu der geschwungenen Marmortreppe. Stumm stiegen sie bis zum obersten Stockwerk hinauf und begaben sich in den hinteren Teil des Gebäudes. Erst als sie vor einer Doppeltür aus Mahagoni standen, hielt Dante an.

Abby war ihm so dicht auf den Fersen, dass sie ihn fast umrannte, als er sich abrupt umdrehte, um sie mit gerunzelter Stirn anzusehen.

»Hör mal, Abby ich kann dich nicht allein lassen, wenn wir uns nicht sicher sein können, dass du hier in Sicherheit bist.«

Abby zog die Augenbrauen hoch. »Meinst du, ich würde darüber mit dir streiten? Nach den vergangenen Stunden habe ich vor, an dir zu kleben wie Leim.«

»Eine sehr nette Vorstellung. Und ich werde darüber später noch ausfuhrlich nachdenken, Liebste. Trotzdem...«

»Was ist?«

Er presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen.

»Das hier ist kein Ort für Unschuldige.«

Abby verdrehte die Augen gen Himmel. Waren alle Vampire verrückt? Sie war seit dem Tag, an dem sie die Wiege verlassen hatte, nicht mehr unschuldig gewesen.

»Ich bin kein Kind mehr, Dante«, gab sie düster zurück. »Ich glaube nicht, dass ich je ein Kind gewesen bin. Ich habe in meinem Leben mehr schlimme Dinge erlebt, als sich die meisten Leute überhaupt vorstellen können.«

Dantes Miene nahm einen weicheren Ausdruck an, und er strich mit den Fingern über Abbys Wange.

»Das weiß ich, Liebste. Aber das bedeutet nicht, dass dein Herz nicht immer noch rein ist. Leider haben wir an diesem Punkt kaum eine Wahl. Nur... bleibe nahe bei mir.«

Während Abby sich überlegte, welche neuen Schrecken wohl hinter der Tür warteten, nickte sie langsam. Sie trat neben Dante und schlang ihre Arme eng um seine Körpermitte.

»Du wirst einen Viehtreiberstab brauchen, um mich loszuwerden.«

Dante stöhnte leise, während er kurz die Augen schloss. »Verdammt.«

Abby stutzte bei seinem seltsamen Verhalten. »Stimmt irgendwas nicht?«

»Wenn ich nicht schon tot wäre, würdest du mich ins Grab bringen, Liebste«, antwortete er. Dann öffnete er die Tür. »Wir sollten es in Angriff nehmen.«

Abby hätte vielleicht über seine merkwürdigen Worte nachgegrübelt, wenn er sie nicht über die Schwelle gezogen hätte, hinein in einen dunklen Raum, in dem orientalische Musik erklang.

Ihr wurde klar, dass es sich um den Harem eines Scheichs handeln musste, als sie sich in dem kreisrunden Zimmer umsah, das mit dünner Gaze und Seide, die mit Pailletten besetzt war, dekoriert war. Auf dem Fußboden lagen Dutzende von großen Kissen. Auf mehreren von ihnen saßen oder lagen diverse Männer und Frauen, die den Opiumrauch tief einatmeten, der aus den Messingkohlenbecken drang.

Aber es waren die Ecken, die Abbys Aufmerksamkeit auf sich zogen.

Obwohl es in dem Zimmer dunkel war, waren die sich windenden Gestalten und das laute Stöhnen, das durch die Schatten hallte, nicht misszuverstehen. Zwar hatte sie noch nie eine Orgie besucht, aber sie erkannte sie eindeutig, wenn sie auf eine stieß.

Sie spürte, wie sich ihr Magen vor Abscheu zusammenzog, und klammerte sich noch fester an Dante. Eigentlich hatte sie gedacht, dass nichts sie beunruhigen könne - nun ja, zumindest nichts von der menschlichen Sorte -, aber in diesem Raum herrschte eine düstere, gierige Dekadenz, die ihr eine Gänsehaut verursachte.

Sie kam zu dem Schluss, dass es an der hoffnungslosen Verzweiflung lag. Dieser vertrauten Schwäche des Geistes, die sie schon länger bekämpft hatte, als sie in Betracht ziehen wollte.

Dante legte ihr einen Arm um die Schulter und tat sein Bestes, um ihr die Sicht zu versperren, während er sie entschlossen auf eine seitliche Nische zuführte.

»Viper wird wohl hinten sein«, murmelte er. »Da, wo die...«

Was auch immer er damit sagen wollte, Dante wurde abrupt das Wort abgeschnitten, und zwar durch einen plötzlichen Aufschrei, der die Luft durchschnitt. Dann wurde er durch eine eindeutig wütende Frau von Abby getrennt.

Geschockt durch den unerwarteten Angriff taumelte Abby zurück und sah verblüfft zu, wie die Angreiferin Dante am Hals packte und ihn in die Höhe hob, um ihn mit erstaunlicher Leichtigkeit gegen die Wand zu drücken.

Schnell erkannte sie, dass es sich um eine Vampirin handeln musste. Eine sterbliche Frau wäre nicht in der Lage, einen erwachsenen Mann so einfach herumzuschleudern, und außerdem verfügte sie über diese fremdartige Schönheit, die verriet, dass sie mehr als ein Mensch war.

Und zwar weitaus mehr als ein Mensch. Das konnte Abby nicht leugnen, als Dante eine Hand ausstreckte, um sie daran zu hindern, sich ihm zu nähern.

Die Vampirin, die so groß war wie Dante, besaß einen gertenschlanken Körper, der von einem eher symbolischen engen Kleid aus Gaze sowie Haaren, die ihr bis über die Taille reichten, kaum verhüllt wurde. Sie hatte ein schmales Gesicht, das fast katzenartig wirkte, mit glühenden grünen Augen und sinnlichen Lippen - die Fantasie jedes Mannes.

Und sie war eindeutig in PMS-Stimmung.

Dante wehrte sich nicht, aber beobachtete seine Fängerin dennoch mit einem misstrauischen Blick.

»Sasha.«

»Dante. Na, ist das nicht eine köstliche Überraschung«, schnurrte die Frau. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Tage ich genau von diesem Moment geträumt habe.«

Abbys Körper verspannte sich bei dem unverkennbaren Tonfall. Zum Teufel, sie griff Dante nicht deswegen an, weil er den Phönix beschützte.

Sie war seine Ex.

Etwas Erschreckendes flammte in Abby auf, das möglicherweise Eifersucht war. Das war die Art Frau, die er begehrte? Wunderschön, mächtig und unsterblich?

Das... Ekel.

»Eine alte Freundin von dir?«, wollte Abby wissen.

»Etwas in der Art«, räumte Dante ein, und seine Lippen verzogen sich ironisch. »Sasha, es ist nicht die richtige Zeit für Kabbeleien.«

»Kabbeleien?« Die Frau kniff die Augen zu gefährlichen Schlitzen zusammen. »Du hast mich in einen Keller gesperrt.«

»Offensichtlich ist es dir gelungen zu fliehen. Nichts ist passiert.«

Sasha knurrte leise. »Ich habe drei Wochen dort verbracht und musste mich von Ratten ernähren.«

»Ich habe gehört, sie seien sehr nahrhaft.« Dante grunzte, als die Finger sich fester um seinen Hals schlossen.

»Zum Teufel, Sasha, ich hätte dich nicht in diesen verdammten Keller gesperrt, wenn du nicht versucht hättest, mich zu pfählen.«

»Du weißt, dass ich das nie getan hätte. Es war nur ein Spiel.«

»Ein Spiel?«

»Früher gefielen dir unsere kleinen Spiele. Erinnerst du dich, wie du es genossen hast, angekettet zu...«

»Ketten sind eine Sache, Sasha, aber ein Pflock ist eine ganz andere«, unterbrach Dante sie hastig. »Nenn mich verrückt, aber ich wollte nicht unbedingt bleiben, um herauszufinden, wohin du ihn zu stecken beabsichtigtest.«

Sasha sog laut die Luft ein. »Trotzdem war es unhöflich.«

»Es tut mir zutiefst leid«, murmelte Dante. »Und ich verspreche dir hoch und heilig, dich nie wieder in einen Keller zu sperren.«

Es folgte eine lange Pause. Dann spitzte Sasha die Lippen zu einem verführerischen Schmollmund und ließ Dante wieder herunter.

»Ich nehme an, ich könnte mich überreden lassen, dir zu vergeben.«

»Du bist wahrhaft eine Heilige.«

Die Vampirin ließ die Hand, mit der sie Dante die Luft abgedrückt hatte, langsam über seine Brust nach unten gleiten und beugte sich vor, bis sie eng an ihn gepresst dastand.

»Vertragen wir uns jetzt wieder?«

Abby stellte fest, dass sie die Hände zu Fäusten ballte, als die Frau sich an Dante rieb wie eine rollige Katze. Sie war sich nicht sicher, ob sie Dante oder das Miststück Sasha schlagen wollte. Aber mit absoluter Sicherheit wollte sie irgend]emanden schlagen.

»Eigentlich bin ich in Eile. Ich muss mit Viper sprechen.«

Der Schmollmund wurde noch ausgeprägter. »Immer rennst du weg. Und immer mit irgendeinem belanglosen Menschen«, warf sie ihm vor. Ihr katzenäugiger Blick glitt zu der stumm dastehenden Abby. »Oder ist dies das Abendessen?«

Mit einer eleganten Bewegung stellte sich Dante neben Abby, und seine Miene drückte unmissverständlich eine Drohung aus.

»Sie steht nicht auf der Speisekarte.«

»Wie vorhersehbar.« Sashas Stimme troff nur so vor Gift. »Du solltest wirklich mehr Zeit mit den Leuten deiner eigenen Art verbringen, Dante. Diese Kreaturen machen dich schwach.«

»Ich behalte es im Kopf.«

Mit einem ärgerlichen Naserümpfen drehte sich Sasha um und stolzierte davon. Ihre elfenbeinfarbenen Kurven waren unter der dünnen Gaze perfekt zu erkennen.

Als sie wieder mit Dante allein war, warf Abby ihm einen verärgerten Blick zu. »Charmant.«

»Sasha ist ein bisschen... emotional«, gestand er reumütig.

»Mehr als nur ein bisschen, wenn sie versucht hat, dich zu töten.«

Er zuckte die Achseln. »Jede Beziehung hat ihre gefährlichen Aspekte. Das hast du selbst zugegeben.«

»Aber nicht den Tod durch einen Holzpflock«, entgegnete sie. Sie war noch immer damit beschäftigt, gegen ihren hartnäckigen Groll anzukämpfen, wenn sie an Dantes intime Beziehung zu der wunderschönen Vampirin dachte.

»Diese Frau war eindeutig wahnsinnig.«

Dante betrachtete Abby mit einem prüfenden Blick.

»Wenn ich mich recht erinnere, hast du mehr als einmal gedroht, mich zu pfählen.«

»Ja, aber das war etwas anderes.«

»Und warum?«

»Darum.«

»Ah.« Dante kräuselte mit boshafter Belustigung die Lippen. »Ich glaube, ich weiß, was dich so nervös gemacht hat. Du bist eifersüchtig.«

Abby stemmte die Hände in die Hüften. Na klar doch. Natürlich war sie eifersüchtig. Sasha mochte zwar tot sein, aber trotzdem war sie unerhört schön und verfügte über eine glühende Leidenschaft, die Männer verrückt machte.

Und was noch wichtiger war, sie hatte es geschafft, Dante mit ihren Verführungskünsten zu umgarnen. Oder vielleicht waren es auch die Ketten, flüsterte ihr eine hässliche Stimme in ihrem Hinterkopf zu.

Auf alle Fälle hatte Sasha das besessen, was Abby sich seit Monaten wünschte. Natürlich war sie verdammt eifersüchtig.

Nicht dass sie das zugeben würde. Sie hatte immerhin ihren Stolz. Wozu auch immer das gut sein mochte.

»Hör mal auf, ständig an dich zu denken, Dante. Ich will ja nur wissen, wie viele andere Exfreundinnen wohl noch aus ihren Löchern kriechen werden. Die Angelegenheit ist so schon schlimm genug, ohne dass rachsüchtige Frauen dich heimsuchen.«

Dante fuhr mit der Fingerspitze über ihre Lippen. »Du bist eine furchtbare Lügnerin, Liebste.«

Instinktiv wich sie vor der ablenkenden Berührung zurück. »Sind wir nicht eigentlich hergekommen, um Viper zu finden?«

»Bald irgendwann, Abby, werden wir ein langes Gespräch führen. Das dürfte eigentlich ziemlich interessant werden«, meinte Dante sanft. »Aber du hast recht, zuerst sollten wir Viper finden und dann hier verschwinden.«

Trotz des recht kindischen Wunsches, noch länger zu bleiben und Abbys unverkennbaren Eifersuchtsanfall zu genießen, nahm Dante sie fest am Arm, um sie in den hinteren Teil des Raumes zu führen. Dies war der falsche Ort für eine Unschuldige. Außerdem besaß er mehr als nur eine verärgerte ehemalige Geliebte, ganz zu schweigen von den unzähligen Dämonen, die die unangenehme Meinung vertraten, er schulde ihnen Geld.

Je schneller er die Schlüssel zu Vipers Wagen bekam, desto besser.

Dante trat in eine dunkle Nische und hielt inne, um in den langen Gang auf der anderen Seite zu spähen. Er war dankbar, dass die meisten Türen geschlossen waren und dass keine der perversen Vergnügungen, die Viper seinen Kunden bot, auf Anhieb zu bemerken war. Und er war sogar noch dankbarer, Viper zu erblicken, der lässig an einer Wand lehnte.

Zumindest würde er Abby nicht mit den allerschlimmsten Ausschweifungen konfrontieren müssen.

»Da ist er ja«, sagte er und wandte sich um, um seine Hände auf Abbys Schultern zu legen. »Warte hier. Es wird nur eine Minute dauern.«

Abby blickte sich unbehaglich um. »Und was, wenn einer deiner Freunde Hunger bekommt?«

»Dann töte ich ihn«, versprach Dante, und er meinte jedes Wort so, wie er es sagte. »Ich lasse nicht zu, dass dir irgendetwas geschieht.«

Sie sah ihm in das entschlossene Gesicht, bevor sie langsam nickte. »Okay, aber beeil dich.«

»Das werde ich tun.« Dante streifte mit seinen Lippen über ihre Stirn, drehte sich um und ging auf seinen Freund zu. Er wartete, bis der andere Vampir sich umdrehte und ihn nachdenklich ansah. »Viper, hast du einen Moment Zeit?«

Viper warf der wartenden Abby einen Blick zu, stieß sich von der Wand ab und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Ich wünschte, du würdest dich entscheiden, Dante. Zuerst bestehst du darauf, dass deine Schöne vor meiner bösen Kundschaft beschützt werden muss, und nun führst du sie vor wie eine verlockende Frucht. Wenn du keinen Aufstand verursachen möchtest, würde ich vorschlagen, dass du sie fortbringst.«

»Die Sachlage hat sich geändert«, erwiderte Dante und erzählte kurz und knapp von dem letzten Angriff auf Abby.

Vipers Miene nahm einen immer besorgteren Ausdruck an, während er stumm zuhörte. Als Dante seinen Bericht beendet hatte, stieß er einen wilden Fluch aus.

»Wer würde es wagen, eine solche Kreatur loszulassen?«

»Ein rücksichtsloser Dummkopf.«

»Ein Mensch, kein Zweifel«, stieß Viper zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er hatte nie zu den Leuten gehört, die mit ihrer Verachtung für Sterbliche hinterm Berg hielten.

Dante zuckte mit den Achseln. Im Augenblick hatte er nicht die Zeit, darüber nachzudenken, wer hinter dem Angriff stecken mochte.

»Vielleicht. Im Moment geht es mir nur darum, Abby in Sicherheit zu bringen.«

Vipers Augen verengten sich. »Eine lobenswerte Absicht. Wie auch immer, ich hoffe, dass du ein oder zwei Wunder auf Lager hast, Dante. Zur Zeit ist deine Gefährtin für jedes Wesen in der Unterwelt der Heilige Gral.«

Ein Wunder? Dante lächelte gequält.Was einem Wunder am nächsten kam, war die Tatsache, dass Abby noch lebte und dass er noch nicht mit einem Holzpflock aufgespießt war.

»Keine Wunder, aber ich habe einen Plan«, gestand er widerstrebend.

»Ich hoffe, er beinhaltet ein Verschwinden für die nächsten Wochen.«

»Ich bringe sie zu den Hexen.«

Abrupt senkte sich ungläubiges Schweigen herab, bevor Viper hastig Dantes Arm ergriff und ihn in die dunkelsten Schatten des Ganges zerrte.

»Hast du vollkommen den Verstand verloren?«, knurrte Dantes Freund wütend. »Beim letzten Mal, als du diesen Hündinnen begegnet bist, haben sie dich wie einen Hund an die Leine gelegt. Dieses Mal kann es sehr gut sein, dass sie dich töten.«

Dante schob die Hände in seine Hosentaschen. Zum Teufel, er war ja kein Dummkopf. Oder zumindest kein vollkommener Dummkopf. Er war sich absolut im Klaren darüber, dass er, wenn es den Hexen so gefiel, wieder in Ketten gelegt werden konnte, wenn ihm nicht sogar etwas Schlimmeres zustieß.

»Ich habe keine andere Wahl«, sagte er steif.

»Warum?«

»Sie sind die Einzigen, die den Phönix aus Abby entfernen können.«

Viper wirkte, als sei er weit davon entfernt, von Dantes vollkommen vernünftiger Erklärung beeindruckt zu sein. Stattdessen starrte er Dante an, als dächte er über eine Zwangsjacke nach.

»Jetzt weiß ich, dass du wahnsinnig bist«, fuhr er ihn an. »Warum sonst solltest du dich an eine andere Person binden lassen wollen? Wenigstens bedeutest du dieser Frau etwas.«

Verbissen verschluss Dante seinen Geist vor der Versuchung. Er war nicht von Natur aus edelmütig. Oder aufopferungsvoll. Er nahm sich, was er wollte. Zur Hölle mit den Sterblichen.

Aber aus irgendeinem Grund hatten sich die Regeln verändert. Abby hatte dafür gesorgt.

»Es ist nicht ihre Bürde.«

»Aber auch nicht deine«, entgegnete Viper mit tödlicher Sanftheit. »Du hast sie nicht freiwillig übernommen.«

Langsam wandte Dante den Kopf, um die schlanke Gestalt anzusehen, die sich besorgt an der Tür herumdrückte. Er lächelte schief.

»Jetzt schon.«

»Du setzt alles für diese Frau aufs Spiel?«

»Alles«, gab Dante leise zu.

Es folgte eine kurze Stille, bevor Viper resigniert aufseufzte. »Du bist einfach wahnsinnig. Was kann ich tun, um zu helfen?«

Dante drehte sich wieder um. Sein Gesicht trug einen entschlossenen Ausdruck. »Vorerst sind deine Schlüssel alles, was ich brauche.«